4. Anatomische Untersuchung an einem Hausschwein

 

 

Der Schädel eines Hausschweins besitzt enge anatomische Parallelen zu dem des Menschen. Grundsätzlich sind „genetisch gesehen Schweine und Menschen einander sehr ähnlich”[46]. Medizinstudenten u.a. machen sich diese Analogie zunutze: So wird beispielsweise aufgrund der menschenähnlichen Hautstruktur das Nähen offener Verletzungen am Schwein geübt oder erste „Operationsübungen an lebenden Schweinen”[47] durchgeführt.

Im praktischen Teil der Seminararbeit wird ein Schweinekopf obduziert. Die Erkenntnisse über Anatomie und Aufbau des Schädels werden auf den Menschen transferiert. Dies ermöglicht ein besseres Verständnis über Kopfverletzungen.

Zudem werden persönliche Erfahrungen, die im Rahmen der Vorbereitung und während der Obduktion gemacht wurden, aufgezeigt.

 

 

4.1      Vorbereitung


Abbildung 8: Skalpell-Klingen Typen

 

Bevor im folgenden die Vorgehensweise einer Schädelobduktion beschrieben wird, soll zuerst auf die erforderliche Vorbereitung und die Durchführung eines solch komplexen Projektes eingegangen werden.

 

Als Grundwerkzeug wurden Skalpell-Klingen vom Typ 10, 11 und 15 (siehe Abb. 8), sowie eine Metallsäge mit einem feinen Sägeblatt eingesetzt.

Neben einer Nagelschere kam außerdem eine Handfräse zum Einsatz, wurden aber wegen mangelndem Nutzen nur geringfügig verwendet.

 

 

 

 

4.2      Obduktion/Untersuchung

 

 

Zuerst wurde ein sagittaler Schnitt rostal (dem Rüssel entgegen) von der Sinister Regio Temporalis(rechte Schläfe), oberhalb hinder dem linken Ohr beginnend, auf die Sinister Regio Orbitalis(rechte Augenregion), oberenhalb des linken Auges zulaufend, durchgeführt. Von dort aus erfolgte ein seitlich lateraler Schnitt zum rechten oberen Augerand und zurückführend zum gegenüberliegenden Ohr. Mit dem Ziel der Freilegung des Schädeldachs (Calvaria) wurde durch Spannen der Sehnenhaube (Galea aponeurotica), ein präparieren der Kopfschwarte (Skalp) erleichtert. Ein breiter medianer (mittig) Riss (siehe Abb. 9) in der Schädeldecke des Schweins kam zum Vorschein.

 


Abbildung 9: Schädeldachs mit medianem Riss

 

 


Abb. 10: Bolzenschussapparat

Abb. 11: Durchtrennen des Meatus acusticus externus

Die Ursache für diese Schädelspaltung liegt in der Schlachtungsmethode bei der Mittels eines Bolzenschussapparats (siehe Abb. 10) die Betäubung durch einen gezielten Schuss durch die Schädeldecke ins Gehirn realisiert wird. Versuche nun die Schädeldecke mittels einer Handfräse lokal zu entfernen, scheiterte an der Dicke. Auch der Versuch den Kopf an seiner gespaltenen Stelle auseinander zu brechen war vergebens. Lediglich die rechte Schädelhälfte ließ sich geringfügig spreizen. Die Ursache dafür war, wie weitere Untersuchungen zeigten, eine zweite Fraktur an der Schädelbasis. Um einen Gesamtüberblick über die Anatomie des Kopfes und den Knochenaufbau zu erhalten, entschloss ich mich für eine Präparation der Gesamten Haut.

 

 Es erfolgte also ein axialer Schnitt vom oberen linken Augenlid an den sich weit nach hinten ziehenden Mundwinkeln vorbei bis ans Kinn. Vom Schnitt ausgehend wurde die über den Backen gelegene Haut kaudal entfernt. Das Durchtrennen der Sehnenhaube unter Spannung machte ein Einfaches Abziehen der Haut möglich. In der Regio Occipitalis durchtrennte ich den Meatus acusticus externus (Gehörgang) (siehe Abb. 11) und entfernte anschließend die Auricula (Ohrmuschel). Gleichermaßen wurde auf der gegenüberliegenden Seite vorgegangen.

Anschließend wurde an dem oberhalb des Auges beginnende axial gesetzten Schnitt erneut angesetzt und die Haut in rostraler Richtung entfernt. Nach erneutem beidseitigen Verfahren lag nun auch der Kiefer mit vollständigem Gebiss frei. Die Haut war bis über die Knorpelöffnungen des Rüssels zurückgezogen und löste sich beim Durchtrenne der selbigen.

 

 

Anschließend wurde der Unterkiefer entfernt, um einen inferioren Einblick (Blick von unten) auf den Schädel zu erhalten. Dazu wurden Bänder wie die  Lig. stylomandibulare oder Lig. sphenomandibulare (siehe Bildergalerie, Kategorie Anatomie) durchtrennt und ermöglichten es den Unterkiefer aus dem articulatio temporo-mandibularis (Kiefergelenk) herauszunehmen.

 

 

Um an das Gehirn unbeschadet heranzukommen erfolgte ein kornaler Schnitt mit der Metallsäge durch die obere Gehirndecke (siehe Abb. 12): Eine Entnahme des Gehirns sollte direkt dorsal (von oben) erfolgen. Aus Vorsicht, das Gehirn nicht zu zerstören, wurde das Gehirn allerdings nur teilweise freigelegt. Deutlich zu erkennen waren die äußere glänzende Pia Mater (Hirnhaut), in welche das Gehirns umwickelt war. Sie war zum Teil angeritzt. Es zeigten sich Teile des Kortex (Hirnrinde), der von Gyri (Windungen) und Sulci (flache Furchen) strukturiert wurde.

 


Abbildung 12: kornaler Schnitt durch die obere Gehirndecke

 

Der Einblick machte deutlich, dass eine Entnahme von oben unmöglich war. Der Gehirntod lag bereits mehr als 48 Stunden zurück, was eine Konsistenzveränderung des Gehirns zur Folge hatte: Das Gehirn nahm bereits langsam einen wässrigen Zustand an.

Eine letzte Möglichkeit das Gehirn komplett freizulegen, erhoffte ich mir durch einen Schnitt parallel auf Höhe der Augen. Ziel war es, die bereits lockere Schädelhälfte dadurch vollständig zu entfernen (siehe Abb. 13). Dies funktionierte und das noch über den Nervus opticus (Hauptsehnerv) verbundene Auge, ließ sich Rückseitig durch die Augenhöhle entfernen, ohne den Nervus Opticus (Sehnerv) dabei zu verletzen.

 


Abbildung 13: Entfernen der lockeren rechten Schädelhälfte

 

Das Öffnen der Dura Mater, welche sich als eine relativ dicke Hirnhaut (ca. 1-2 mm) offenbarte, wäre ohne ein „Herauslaufen“ des Gehirns nicht machbar gewesen. Um einzelne Gehirnstukturen in einem Gehirnschnitt jedoch erkennbar zu machen, wurde das Gehirn in gefrorenem Zustand durch einen Medianschnitt geteilt. Leider war der detaillierte Aufbau des Gehirns aufgrund des gefrorenen Zustands der mit Flüssigkeit gefüllten Zellen nicht mehr zu erkennen.

Grobe Gebiete ließen sich jedoch deutlich unterscheiden. So hoben sich die Substantia grisea (graue Substanz), welche vorwiegend aus Nervenzellkörpern bestehen und größtenteils in der Hirnrinde vorkommen, stark von der weiße Substanz, welche Nervenfasern bilden, ab (Siehe Abb. 14)

 


Abbildung 14: Medianschnitt durch ein gefrorenes Gehirn

 

 

4.3      Fazit zum praktischen Teil

 

Die Schädeldicke eines Schwein beträgt an einigen Stellen zwischen 3,5 und 4 cm. Ein Betäuben des Tieres ohne einen Bolzenschuß-Apparat, der diese Schädelstärke durchdringt, ist fast nicht möglich.

Die Stärke des Schädelknochens sowie die kugelartige Form (ohne Angriffspunkte) geben dem Gehirn einen besonderen Schutz. Das haben die Schwierigkeiten beim Öffnen der Schädeldecke deutlich gezeigt.

Ausgehend von der Schädelanatomie beim Schwein ist auch das menschliche Gehirn mit gleichen Schutzmechanismen ausgestattet. Es sind somit ähnliche Schutzfunktionen vorhanden, die das menschliche Gehirn vor der Außenwelt schützen.

Das Verletzungsrisiko bei einigen Sportarten übersteigt allerdings die Schutzfunktion, die der Schädel leisten kann. Entsprechend kann es zu teils schweren Kopf- und Gehirnverletzungen kommen.

Die Notwendigkeit liegt also darin, das Gehirn bei der Ausübung von risikoreichen Sportarten durch Präventionen, beispielsweise durch Tragen eines Schutzhelms, zusätzlich zu schützen.

 

Weitere Bilder zur Obduktion gibt es in der Fotogalerie oder schauen Sie das Video.

 


zurück zu: 3. Verletzungen im Sport   -----------------------------   zurück zur Gliederung   -----------------------------   weiter zu: 5. Persönliches Fazit