2. Klassifizierung von Sportverletzungen
Kopfverletzungen entstehen durch Krafteinwirkung von außen auf den Kopf, beispielsweise durch „einen Sturz, Zusammenstoß, Aufprall oder Schlag bei Unfällen im Verkehr, Sport oder Haushalt“[20].
Grundsätzlich wird bei Kopfverletzungen zwischen Schädelverletzungen, also Schädelprellungen bzw. Schädelfrakturen und Schädel-Hirn-Traumen, die eine Mitverletzung am Gehirn zur Ursache haben, unterschieden. Die unterschiedlichen Verletzungsformen können noch weiter differenziert werden.
Der Vollständigkeit halber sind die Blutungen im Gehirn zu nennen, die häufig als Folge von Verletzungen gleichfalls das Verletzungsbild prägen.
2.1 Schädelverletzungen
2.1.1 Schädelprellung
Unter einer Schädelprellung versteht man eine Gewalteinwirkung auf den Schädel mit Folgebildung eines Hämatom zwischen der Sehnenhaube (Galea aponeurotica), also der untersten Funktionellen Einheit der Kopfschwarte (Skalp) und dem Schädeldach (Calvaria). In vielen Fällen findet sich auch eine Kopfplatzwunde, welche der Grund für starke Blutungen sein kann, da „die Kopfhaut die am besten durchblutete Hautregion des menschlichen Körpers ist“[21].
Bei einer Schädelprellung fehlt das Symptom der Fraktur, der Verletzung des Gehirns oder neurologische Symptome (Funktionsstörungen von Nervenzellen).
2.1.2 Schädelfraktur
Kopfverletzungen, bei denen es zu einer Schädelfraktur (Schädelbruch) kommt, haben ihre Ursachen in einer sehr starken Krafteinwirkung von außen, die über die Elastizitätsgrenze des Knochens hinausgehen.
Von einem Schädelbruch kann das Nasenbein, der Gesichtsschädel, das Schädeldach (Kalotte) oder die Schädelbasis betroffen sein:
Die hierdurch ausgelösten Symptome hängen von der Art des Bruchs ab. Beispielsweise kann bei einem Schädelbasisbruch Blut oder Liquor (Hirnwasser) aus einem oder beiden Gehörgängen beziehungsweise der Nase austreten. Bei einer Kalottenfraktur schweren Gerades (Schädeldachfraktur) kann es neben lokalen Schwellungen sogar zum Austritt der Schädelknochen kommen.
2.2 Schädel-Hirn-Trauma
Liegt eine Verletzungen des Schädels mit Hirnbeteiligung vor, welches in seiner Funktionsfähigkeit gestört ist, spricht man von einem Schädel-Hirn-Trauma.
Grundsätzlich wird zwischen einem offenen und geschlossenen Schädel-Hirn-Trauma differenziert. Im Gegensatz zum geschlossenen Schädel-Hirn-Trauma ist für das Auftreten eines offenen Schädel-Hirn-Trauma “neben einer Verletzung des Schädelknochens das Zerreißen der Dura Mater”[22] (äußere Hirnhaut) Vorraussetzung.
Die Schwere eines Schädel-Hirn-Traumas wird üblicherweise nach „dem Punktwert in der Glasgow-Coma-Skala (GCS)“[23] eingeteilt. Dieser Wert setzt sich aus den Reaktionen des Patienten zusammen: Augenöffnen, verbale Reaktion auf Ansprache, motorische Reaktion
Eine weitere Einteilungsmöglichkeit des Schweregerades erfolgt über die Länge der Bewusstseinstörung. Hierbei gilt: Je länger die Bewusstseinsstörung (Bewusstlosigkeit und überdauernde Bewusstseinsstörung) bestehen bleibt „umso schwerer muss die Traumaschädigung erwogen werden“[24].
Eingeordnet werden Gehirnverletzungen nach Gehirnerschütterung (Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades), Gehirnprellung (Schädel-Hirn-Trauma 2. Grades) und Gehirnquetschung (Schädel-Hirn-Trauma 3. Grades).
2.2.1 Gehirnerschütterung
Ein mögliches Krankheitsbild eines “leichten Schädel-Hirn-Traumas (SHT-1) ist die Gehirnerschütterung”[25] (Commotio cerebri). Hierbei kommt es zu einer Schädigung des Gehirns, die mit Benommenheit bis hin zu “kurzzeitigen Bewusstseinsverlust”[26] (max. 15 Minuten) verbunden ist.
Neben einer Gewalteinwirkung auf den Kopf, kann auch eine sehr starke Beschleunigung, Abbremsung oder Drehung des Schädels das im Liquor schwimmende Gehirn gegen den Schädelknochen schlagen lassen.
Der Hirnstruktur selbst wird dabei nicht beschädigt, allerdings werden die “Gehirnfunktionen [“durch Fehlfunktionen der Nervenzellen“[27]] vorübergehend gestört”[28]. Neben dem Bewusstseinsverlust kann es deshalb zu „anterograden Amnesie“[29] (Reduzierung der Merkfähigkeit für neue Bewusstseinsinhalte) kommen.
Das “Ausmaß dieser Störungen ist jedoch begrenzt, [meist nur kurzanhaltend] und verursacht “in der Regel keine bleibenden Schäden”[30].
Weitere Symtome für eine Gehirnerschütterung können Übelkeit, Erbrechen und Schwindel sein.
2.2.2 Gehirnprellung
Bei der Hirnprellung (Contusio cerebri) tritt “eine Substanzschädigung des Gehirns”[31] auf, bei das Gewebe der Gehirnsubstanz örtlich begrenzt verändert wird.
Der Unfallmechanismus ist der gleiche wie bei der Gehirnerschütterung und kann ebenfalls mit oder ohne Schädelverletzung einhergehen, jedoch ist in jenem Fall die Gewalteinwirkung stärker.
Bei einer Hirnprellung stößt das Gehirn infolge dieser Einwirkung beim Aufprall an der Aufschlagseite an den Knochen (Coup). An der Gegenseite entsteht durch Unterdruck ein Gegenstoßherd (Contrecoup). Hierbei kann es zu einer Veränderung (z.B. Blutungen) in den oberflächlichen Rindenschichten des Gehirns (sog. Rindenprellungsherd) kommen, die an der Gegenseite häufig stärker auftreten, als auf der Seite der Gewalteinwirkung.
Die Folgen einer Gehirnprellung hängen von ihrer Ausdehnung und Lage ab. Je nach Schwere können schwerwiegende neurologische Störungen wie Lähmungen, Sensibilitätsstörungen, Krampfanfälle (Epilepsie), Verlust des Riechvermögens und Sprachstörungen die Folge sein.
Die Bewusstlosigkeit bei einer Gehirnprellung dauert länger als 1 Stunde kann bis zu einigen Tagen anhalten. Sie ist aber nicht obligat, denn es kann auch „nur“ eine Bewusstseinsstörung einer anderer Art vorliegen.
2.2.3 Gehirnquetschung
Ähnlich wie bei der Gehirnprellung (Contusio cerebri) kommt es bei einer Gehirnquetschung (Compressio cerebri) zu einem Stoß und Gegenstoßherd. Eine Gehirnverletzung liegt also nicht nur an der Stelle der Gewalteinwirkung vor, sondern auch direkt gegenüber.
Sehr oft sind Gehirnquetschungen der Grund für Blutungen (siehe 4.2.4) in angrenzenden Gehirnarealen. Der besondere Schutz des Gehirns durch den fast vollständig umgebenen Schädelknochen wird durch den Druckanstieg und der folgenden Einklemmung zur Gefahr.
Die Folge ist oftmals eine lang andauernde Bewusstlosigkeit, ein komaähnlicher Zustand, oder gar der Tod. Zur Druckentlastung kann eine temporäre Entfernung eines Teils der Schädeldecke angewandt werden. Dauerhafte Schäden sind zu erwarten, aber nicht zwangsläufig.
Die auftretende Erinnerungslücke bezieht sich – im Gegensatz zur Gehirnerschütterung – nicht nur auf die Zeit ab dem Verletzungseintritt, sondern umfasst auch die Zeit vor dem Unfall (retrograde Amnesie).
2.3 Gehirnblutung
Als Hirnblutung oder besser intrakranielle Blutung bezeichnet man eine “venöse oder arterielle Blutung innerhalb des Schädels”[32].
Oft tritt eine Blutung zwischen den Hirnhäuten auf (epidurale, subdurale Hirnblutungen). Liegt der Sitz der Blutungsquelle allerdings im Gehirngewebe selbst, spricht man von einer intrazerebralen Blutung.
„Als Folgen von Sportunfällen entstehen meist subdurale oder epidurale Blutungen“[33].
2.3.1 Epidurale Blutung
Bei einer “traumatischen intrakraniellen Blutung“[40] (siehe Abb. 6) zwischen der harten Hirnhaut (Dura mater) und dem Schädelknochen (Epiduralraum) spricht man von „einm epidurale Hämatom”[41] (epidural "über der Dura"). Sie ist meist die Folge einer “Ruptur der Arteria meningea media”[42] (mittlere Hirnhautarterie), kann aber in “seltenen Fällen auch die Ursache in einem venösen Hirnsinus”[43] (venösen Blutgefäße des Gehirns) haben.
Im Fall einer arteriellen Blutung sammelt sich schnell sehr viel Blut im epiduralen Raum an. Aufgrund der dadurch entstehenden Druckerhöhung ist oftmals eine einseitige homolaterale Pupillenerweiterung durch Kompression des parasympathischen Nervus oculomotorius, sowie eine kontralaterale Hemiparese(unvollständige Lähmung eines Muskels auf einer Körperhälfte) die Folge. Bei weiterer Größenzunahme der Blutung kann dies zur Hirnstammkompression und damit zum “Tod durch Atemstillstand führen”[44].
2.3.2 Subdurale Blutung
Ein subdurales Hämatom ("unter der Dura") ist eine Hirnblutung zwischen der harten Hirnhaut (Dura mater) und der Spinngewebshaut (Arachnoidea)(siehe Abb. 5).
Blutungsquelle sind häufig Brückenvenen, welche sich “zwischen der Gehirnoberfläche und den Sinus durae matris”[34] (großen venösen Blutgefäße des Gehirns) “durch den Subduralraum ziehen”[35]. Das dort austretende Blut “bildet ein Gerinnsel”[36], das auf das Hirngewebe drückt. Die Einblutung ist meist flächenhaft und sichelförmig.
Je nach Ausprägung können entweder “sofort nach der Kopfverletzung (akutes subdurales Hämatom) oder erst Stunden bis Tage später (chronisch subdurales Hämatom)”[37] lebensbedrohliche Symptome einer subdurale Hirnblutung auftreten.
Die Symtome variieren und “verändern sich je nachdem welches Areal betroffen ist”[38]. Typisch sind, ähnlich der Epiduralblutung, die unterschiedlich großen Pupillen bei Lichteinfall (Anisokorie). Weitere Anzeichen sind “Kopfschmerzen, einseitige Lähmung, Verwirrung, Benommenheit und Krampfanfälle, schlimmstenfalls auch Bewusstlosigkeit und Koma”[39].
Eine schwere subdurale Blutung kann wie die Epiduralblutung tödlich enden.
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